Die kalten Wurzeln der Welt by M P Anderfeldt

Die kalten Wurzeln der Welt by M P Anderfeldt

Autor:M P Anderfeldt [Anderfeldt, M P]
Die sprache: deu
Format: azw3
Tags: amazon, Thriller
ISBN: 9783742772572
Herausgeber: neobooks
veröffentlicht: 2017-10-17T22:00:00+00:00


Warm

Sie trug wieder dieses weiße Kleid. Diesmal war es von Anfang an warm. Bald wurde es heiß. Sie ging lange, weit, doch sie fühlte keine Müdigkeit. Etwas trieb sie voran, zog sie immer weiter.

Ein Schweißtropfen fiel ihr ins Auge und ließ sie blinzeln. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. So etwas träumt man doch nicht. Ich träume!

Sie blieb stehen, aber wie von selbst setzten ihre Beine sich gleich wieder in Bewegung.

Ich wache einfach auf.

Sie zwickte sich ins Ohr. Sie stellte fest, dass sich ihre Haare seltsam anfühlten – irgendwie schwer und klebrig. Aber sie wachte nicht auf. Es ist ein Traum. Es ist ein Traum. Es ist ein Traum. Es ist–

Und doch kann ich

nicht aufwachen.

Was

ist

d

a

s

?

Sie nahm die Haut an ihrer Wange zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte so kräftig zu, wie sie konnte. Es tat so sehr weh, dass ihr Tränen in die Augen traten. Der Schmerz war real, sehr real.

Doch sie erwachte nicht.

Okay. Jetzt ruhig bleiben. Irgendjemand hat doch gesagt, dass das nichts Schlimmes ist.

Dunkel erinnerte sie sich an ein Lächeln.

Da war wieder dieser Geruch nach verbrannten Haaren. Jetzt spürte sie auch Rauch. Er biss in ihrer Lunge und sie wollte husten.

Die Luft war so heiß wie in der Sauna und bei jedem Atemzug hatte sie das Gefühl, Feuer in sich hineinzusaugen. Feuer …

Da war Feuer, jede Menge. Vor ihr lag ein See aus Flammen. Rot glühende Wellen wogten und züngelten ans Ufer. Weiter hinten war der See heller, orangefarben, dann hell gelb, beinahe weiß glühend. Am Horizont schossen gleißende Feuersäulen hunderte Meter in den schwarzen Himmel.

Als sie nach oben sah, bemerkte sie, dass am Firmament keine Sterne und kein Mond zu sehen waren. Oder sah sie sie nur nicht, weil das Feuer zu hell war? Nein, entschied sie, da ist kein Himmel mit glitzernden Sternen. Da ist nur Leere und Dunkelheit. Ich kann spüren, wie es auf meine Seele drückt.

In diesem Augenblick erkannte sie, dass es Sterne überhaupt nicht gab. Alles, was Menschen tröstete, ihnen Kraft gab, war ihre eigene Erfindung, weil sie das hier nicht ertragen konnten.

Sie war am Rand des feurigen Sees stehengeblieben und fragte sich, warum. Wartete sie auf irgendetwas? Oder auf irgend jemanden?

Ratlos sah sie sich um. Hinter ihr: nichts. Vor ihr: der See aus Feuer.

Die Kleidung auf ihrer Haut fühlte sich an, als würde sie jeden Moment in Flammen aufgehen. Sie erinnerte sich, wie sie einem Mann beim Verbrennen zugeschaut hatte. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, dabei war es erst vor ein paar Wochen gewesen. Ein unvergessliches Erlebnis.

Obwohl sie niemanden sah, fühlte sie eine Präsenz. Noch so etwas. Das gibt’s in Wirklichkeit auch nicht, dass man spürt, dass man beobachtet wird.

Was wohl passiert, wenn ich in das Feuer springe? Wache ich dann auf?

Angesichts der sengenden Glut verspürte sie allerdings wenig Lust, es herauszufinden. Sie leckte mit der Zunge über die schweißnassen Lippen.

Wieder sah sie sich um. Da war nichts.

Nichts, außer dem Gefühl, dass da doch etwas war.

Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Alle Hitze war vergessen und ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken.



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